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Gendern im Business-Kontext – Sinnvoll oder hinderlich?

Gendern -kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so sehr, wie diese neuartigen Sprech- und Schreibweisen. Sprache als Kulturgut ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft, in der sie angewandt wird. Zudem ist sie vor allem eins: immer im Wandel; dies zeigen schon die unzähligen „aktuellen“ Ausgaben deutscher Wörter- und Rechtschreibbücher oder die Wahl des Jugendwortes bzw. Unwortes des Jahres. Dennoch formiert sich besonders im Fall des gendergerechten Sprachstils Widerstand. Die Sprachpraxis bietet sowohl Vor- als auch Nachteile- auch im Business-Kontext. Ein Blick auf Sinn und Unsinn der Debatte.

Sprache soll erlebte Realität abbilden

Im historischen Zusammenhang stellte sich die Frage nach genderneutraler Sprache oftmals gar nicht erst, da wichtige gesellschaftliche Rollen in der Regel von Männern dominiert wurden. Frauen waren meist ohnehin nicht mitgemeint. Die heutigen Lebens- und Arbeitsumstände vieler Menschen unterscheiden sich jedoch stark von gendertypischen Klischeevorstellungen: Stimmt die Qualifikation mit den Erfordernissen von Jobprofilen überein, stehen auch Frauen und Menschen anderer Geschlechtsidentitäten gesellschaftlich angesehene Positionen offen. Fast automatisch kommt vielen nun der Gedanke, dass die genutzte Sprache sich wandeln muss, um die neue erlebte Realität adäquat abzubilden.

Richtig Gendern – wie geht das eigentlich?

Es gibt viele Arten, gendergerechte Sprache zu verwenden. Am häufigsten werden diese drei Optionen gewählt:

  • Feminisierung: Es werden Männer und Frauen genannt (z.B. Abteilungsleiter und Abteilungsleiterinnen) oder die weibliche Form wird durch Abkürzungen hinzugefügt (z.B. Chef/innen, LeiterInnen).
  • Neutralisierung: Die männliche Form wird durch eine geschlechtsneutrale Formulierung (z.B. Führungskraft) oder eine substantivierte Form (z.B. Beschäftigte) ersetzt.
  • Gender-Zeichen: Die wohl am heftigsten diskutierte Form des Genderns nutzt verschiedene grammatikalische Zeichen innerhalb von Wörtern. Zwischen der männlichen Form eines Wortes und der Endung in weiblicher Form kann beispielsweise ein Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt eingefügt werden (z.B. IT-Leiter*innen, IT-Leiter_innen, IT-Leiter:innen). Die Zeichen sind als Platzhalter für Menschen zu verstehen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen. Diese Form des Genderns ist besonders umstritten, da sie im Vergleich zu den beiden anderen Optionen das Schriftbild recht stark verändert – das gefällt nicht jedem.

Es gibt jedoch gute Gründe für das Gendern im Business-Kontext – neben ein paar Stolperfallen, die es zu vermeiden gilt.

  1. Inklusivität
    Genderneutrale Sprache zu benutzen, kann helfen, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die alle Beschäftigten unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität einschießt. So wird eine wertschätzende, respektvolle Atmosphäre geschaffen, in der sich auch Menschen wohl fühlen, die traditionellen Vorstellungen zu Genderidentität nicht entsprechen. Die Idee hinter genderneutraler Sprache ist, die vorgefertigten Interpretationsmuster im Kopf auszuweiten, um nicht nur Männer „im Hinterkopf zu haben“.
  1. Kampf den Stereotypen!
    Werden verschiedene Geschlechtsidentitäten angesprochen, kann das helfen, bereits festsitzende Geschlechterstereotype aufzubrechen und andere mögliche Szenarien anzubieten.
  1. Rechtliche Grundlagen gegen Diskriminierung
    Außerdem ermöglicht es genderneutrale Sprache Firmen, rechtliche Regelungen gegen Diskriminierung einzuhalten.
  1. Unternehmens-Image verbessern
    Gendern kann auch das Image eines Unternehmens in der Wahrnehmung der Kund:innen verbessern, da es von vielen als fortschrittlich und sozial verantwortlich wahrgenommen wird. Achtung: Die Nutzung genderneutraler Sprache muss jedoch zum Unternehmen generell passen; mehr dazu später.
  1. Klare Kommunikation
    Richtig angewendet, kann Gendern Missverständnisse reduzieren und unreflektierte vorgefasste Standpunkte umgehen. So entsteht eine klare und effektive Kommunikation ohne Vorurteile weiter zu befeuern.
  1. Zugehörigkeitsgefühl bei Mitarbeitenden stärken
    Bei Mitarbeitenden kann genderneutrale Sprache zu einem besseren Zugehörigkeitsgefühl beitragen, was dafür sorgt, dass sie zufriedener sind und länger im Unternehmen bleiben.
  1. Breites Publikum und zukunftssichere Kommunikationsstrategie
    Genderneutrale Sprache erreicht zudem ein breiteres Publikum, so auch Kund:innen, die Diversität und Inklusion wichtig finden (Jüngere). Es ist überdies ein Trend, er sich langsam in vielen Bereichen des Lebens durchsetzt. Firmen, die dies erkennen, passen sich neuen sozialen Normen und verändertem Sprachgebrauch an – was sie langfristig im Markt erfolgreich machen wird.

Gendern – komplex, teuer und unbequem?

Das Gendern ist jedoch Vorbehalten ausgesetzt: Nicht alle Angestellten oder Stakeholder eines Unternehmens werden mit der veränderten Sprachpraxis zufrieden sein. Sie wird vor allem von Personen abgelehnt, die traditionelle Sprachnormen gewohnt sind und diese auch bevorzugen. Sie könnten aufgrund der für sie ungewohnten Wortformen Schwierigkeiten haben und genderneutrale Sprache zu schwierig finden.

Zudem muss Gendern geübt werden; dazu müssen Beschäftigte zunächst geschult werden und Dokumente, Richtlinien (AGBs) und die gesamte Unternehmenskommunikation angepasst werden. Das kostet Zeit, Geld und manchmal auch Nerven, sowie Überzeugungskraft.

Wird genderneutrale Sprache falsch oder nicht durchdacht angewandt, birgt sie das Risiko für Missverständnisse und noch mehr Widerstand. Gerade global operierende Unternehmen sollten Vorsicht walten lassen: In manchen Regionen, in der vor allem traditionelle Geschlechterrollen-Verständnisse herrschen, könnte Gendern aufgrund kultureller Normen abgelehnt werden.

Besonders historisch gewachsene Unternehmen und Marken mit bereits bestehender traditioneller Kommunikation werden einige Schwierigkeiten haben, genderneutrale Sprache einzuführen. Zum einen müssen sie sich überlegen, ob diese progressive Ausrichtung zu ihrem bisherigen Konzept und ihrer Identität passen. Ist das nicht der Fall, kann die veränderte Sprache schnell unauthentisch wirken. Hier müssen Unternehmen behutsam vorgehen und sich im Zweifel professionelle Hilfe von Fachleuten für Kommunikation holen. Zum anderen kann eine solche Umstellung auch bedeuten, dass Unternehmen Kund:innen verlieren, die genderneutrale Sprache generell ablehnen. Gerade im Online-Umfeld müssen Firmen sich auf negative Kommentare und Widerstand einstellen.

Frauen werden durch Gendern sichtbarer, was aber auch Nachteile haben kann: Gendern kann dazu führen, dass Kategorien wie Geschlecht und Geschlechtsidentität überbetont werden, vor allem in Kontexten, in denen beides keine Rolle spielen soll.

Genderneutrale Sprache im richtigen Kontext

Es ist wichtig, zu überlegen, wo Gendern sinnvoll ist: Besonders in Stellenausschreibungen, der allgemeinen Unternehmenskommunikation zur Selbstpräsentation nach außen oder wenn dezidiert Personen angesprochen werden sollen, die keine Männer sind, bietet sich das Gendern an. In juristischen Texten wie den AGBs, die sowieso schon schwierig zu verstehen sind, ist genderneutrale Sprache hingegen eher hinderlich.

Wie genderneutrale Sprache im Business-Kontext gelingt

  1. Geschlechtsneutrale Ausdrücke für Berufsbezeichnungen finden
    Schreiben Sie zum Beispiel Lehrkraft statt Lehrer
  1. Nutzung von Pluralformen mit Substantivierungen
    Statt Abteilungsleiter schreiben Sie Abteilungsleitende
  1. Vermeidung von Pronomen
    Formulieren Sie Sätze so um, dass Sie keine Pronomen setzen müssen. Statt „bezahlt der Kunde die Ware im Voraus“ schreiben Sie beispielsweise in den AGBs: „im Voraus bezahlte Waren…“
  1. Absehen von vorschnellen Gender-Interpretationen
    Vermeiden Sie es, Personen aufgrund ihres Aussehens in bestimmte Gender-Kategorien einzuordnen. Wenn sie unsicher sind, fragen Sie die betroffene Person nach den bevorzugten Pronomen. Das gilt vor allem, wenn es sich dabei um eigene Mitarbeitende oder Ansprechpersonen bei Ihren Stakeholdern handelt.

Für Unternehmen und Interessierte, die beim Thema Gendern noch Orientierung benötigen, gibt es spezielle Angebote im Internet. Diese bieten beispielsweise mit Studien zum Thema, Formulierungshilfen oder Erklär-Videos Hilfestellungen.

Fazit:

Genderneutrale Sprache kann für eine offene, wertschätzende interne Unternehmenskultur sorgen, in der sich alle Mitarbeitende gleichermaßen gesehen fühlen.
Richtig angewandt kann sie helfen, Missverständnissen vorzubeugen und gesellschaftlich tradierte Stereotypen aufzubrechen. Wichtig ist, darauf zu achten, dass diese spezielle Sprachpraxis immer dann zum Einsatz kommt, wenn es sinnvoll ist; etwa in Stellenausschreibungen oder in der allgemeinen Unternehmenskommunikation. Unternehmen sollten sich vor der Einführung genderneutraler Sprache gut informieren und eruieren, ob dieses Sprachkonzept zu ihrer Ausrichtung passt. Im Zweifel ist es sinnvoll Fachleute hinzuzuziehen.
Was sich im Sprachgebrauch letztendlich durchsetzen wird, entscheiden wir am Ende selbst. Sprache ist schon immer im Wandel – neue Wörter und Sprachstiele kommen hinzu, andere verschwinden. Die Zeit wird zeigen, welches davon für das Gendern gelten wird.

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